BRT oder Stadtbahn? – ein Praxistest

Einen Frankreich-Urlaub hat der Unterzeichner genutzt, um in Metz und Straßburg die immer wieder als vorbildliche bezeichneten Systeme des dortigen öffentlichen Personennahverkehrs (ÖPNV) zu testen. Hier ein kleiner, sicher subjektiv gefärbter Bericht, der vielleicht geeignet ist, die im Raum Ludwigsburg geführte Diskussion zu versachlichen.

In beiden französischen Städten ist anerkennend festzustellen, dass man den ÖPNV konsequent ausgebaut und modernisiert hat. Genauso konsequent hat man auch den motorisierten Individualverkehr (MIV) eingeschränkt, ihm Fahrstreifen und oberirische Parkierungsflächen weggenommen; letztere wurden jedoch durch zahlreiche Parkhäuser und Tiefgaragen ersetzt.

In der lothringischen Metropole Metz (ca. 115 000 Einwohner) ging 2013 als Ergänzung des traditionellen Busnetzes ein BRT-System (BRT = Bus Rapid Transit) mit zwei Linien und einer Gesamtlänge von 17,8 km in Betrieb. Ein Betriebshof mit 8 ha Fläche ergänzt das System. Die Kosten werden mit 230 Millionen Euro angegeben. Ein Schienennetz gibt es im ÖPNV von Metz nicht.

Auf den BRT-Linien fahren dreigliedrige Busse eines holländischen Herstellers mit Diesel-Hybrid-Antrieb. Die Busse haben eine niedrige, knapp 20 cm hohe Einstiegskante, die durch die Bordsteine an den Haltestellen fast ausgeglichen wird. BRT-Busse sind technologisch weiterentwickelte Busse mit bequemerem Einstieg; es bleiben aber Busse, wie bei der Fahrt festzustellen ist, durch Brems- und Beschleunigungsvorgänge oder durch Fahrbahn-Unebenheiten ist die Fahr deutlich „bewegter“ als auf der Schiene.

 

Ein moderner Bus des BRT-Systems (links) und ein traditioneller Bus an derselben Haltestelle in Metz

Entscheidend für den pünktlichen und zuverlässigen Betrieb des BRT-Systems sind aber weniger die Busse selbst, sondern die für sie exklusiv reservierten Trassen und die Vorrangschaltung an den Ampeln. Und da war man im Metz äußerst konsequent: man hat dem MIV zurückgedrängt zugunsten reservierter Fahrspuren für Busse. Das Foto zeigt einen Straßenzug am Rande der Innenstadt, der früher wohl vier Fahrspuren für Autos angeboten hat. Davon ist noch eine einzige als Richtungsfahrbahn übrig geblieben. Der Großteil der Fläche zwischen den Baumreihen gehört den Bussen mit zwei Fahrbahnen, und dann sind links und rechts noch Streifen für Radfahrer und Fußgänger angeordnet.

Bei der Fahrbahn-Aufteilung in Metz wurde der Busverkehr klar bevorzugt; Autos haben nur eine Fahrspur.

Die elsässische Zentrale Straßburg (ca. 270 000 Einwohner) verfügt über ein weit ausgreifendes Schienennetz für Stadtbahnen, das sogar grenzübergreifend die deutsche Stadt Kehl einbindet. Die Bahnen sind zum Großteil sehr moderne Niederflur-Züge, für die an den Haltestellen meist ca. 30 cm hohe Bahnsteige gebaut wurden; dadurch ist ein höhengleiches Einsteigen möglich. Die Züge fahren auf dem Schienensystem sehr gleichmäßig, so dass auch stehende Fahrgäste keine Probleme bekommen. Die Fahrwege sind in der Regel exklusiv für die Schiene reserviert, an geeigneten Stellen ist die Bahntrasse begrünt.

Vor wenigen Jahren wurde das Straßburger ÖPNV-System durch eine BRT-Linie ergänzt, auf der zehn moderne Busse eines baden-württembergischen Herstellers verkehren.

Ein kleines (wie gesagt subjektives) Fazit:

– Beide französischen Städte sind uns weit voraus, was die Entwicklung des ÖPNV und das Zurücknehmen des MIV angeht; der Mut, der dort in dieser Hinsicht aufgebracht wurde, ist zu bewundern.

– Die umfangreichen Umbaumaßnahmen im Straßenraum verursachten vermutlich Kosten, die in den hiesigen Kostenschätzungen für ein BRT-System nicht ansatzweise enthalten sind.

– Eine Fahrt auf der Schiene ist komfortabler als im BRT-Bus. Ob dieser Komfortgewinn aber mehr wiegt als eventuelle Kostenvorteile und die höhere Flexibilität von Bussen, ist schwer zu beurteilen.

– Auch die Niederflur-Stadtbahnen haben Bahnsteige mit rund 30 cm hohen Kanten. Der Unterschied zu den abgesenkten Schienen einer SSB-Stadtbahn (zu besichtigen etwa in der Nordbahnhofstraße in Stuttgart) ist eigentlich zu vernachlässigen; was bleibt, ist die größere Wendigkeit einer Niederflurbahn gegenüber der Hochflur-Schwester.

– Was unseren Raum von den französischen Städten unterscheidet: Metz und Straßburg sind „ÖPNV-Inseln“. Bei uns hält bereits mit der SSB ein leistungsfähiges Schienensystem quasi „direkt vor Haustür“.

Und welche Empfehlung für die Diskussion in Stadt und Kreis Ludwigsburg leitet der Unterzeichner aus all dem ab?

a) Lasst uns die SSB-Stadtbahn von Aldingen über Pattonville mit einer Durchmesserlinie durch Ludwigsburg verlängern. Diese Linie soll einen Halt am Ludwigsburger Bahnhof bekommen und dann über Möglingen nach Markgröningen und Schwieberdingen weitergeführt werden. Und vielleicht gelingt ja auch der Ringschluss über Korntal-Münchingen nach Stuttgart-Stammheim.

b) Die Stadt Ludwigsburg entwickelt in eigener Verantwortung ihr bereits weit entwickeltes Busnetz weiter. Idealer Weise macht sie dabei exklusive Trassen für moderne BRT-Busse frei. Eine Verknüpfung von BRT und SSB-Stadtbahn findet am Bahnhof Ludwigsburg und eventuell im Bereich Grünbühl statt. Und vielleicht lässt sich das BRT-System ja auch ins Umland ausweiten.

Gerhard Waldbauer

Hier eine kleine Bildergalerie zum Thema:

 


Kommentar schreiben

Mit dem Nutzen des Kommentarbereiches erklären Sie sich mit der Datenschutzerklärung einverstanden.


Kommentar



Sehr guter Vorschlag. Ludwigsburg müsste doch ein Interesse daran haben, Kaufkraft aus den umliegenden Gemeinden anzuziehen und das geht nur mit einer Infrastruktur auf Basis bewährten Technik der Hochflurbahn der SSB, ohne technisches Risiko und stabilen Kosten. Wenn die Ludwigsburger sich schon auf technisches Neuland und eine isolierte Insellösung einlassen wollen, ist das ihre Sache. Wobei ich aus ästhetischen Gründen für die Ludwigsburger Argumente Verständnis habe. Aber dadurch eine einmalige Chance zur Anbindung der umliegenden Gemeinden zu verspielen, ist eigentlich verantwortungslos.

 


Termine